Elemente des Groove




Synchronisation und Tempo: Der Rhythmus, bei dem ich mitmuss

Eine Besonderheit vieler Musikstücke mit afrikanischen Wurzeln ist, dass bestimmte Schläge von den Trommlern nicht akzentuiert oder überhaupt nicht gespielt werden, obwohl sie im Ablauf des Rhythmus zu erwarten wären. „So entstehen Freiräume, in denen die übrigen Teilnehmer oder Tänzer ihren persönlichen Beitrag zur Vervollkommnung der Musik leisten können“, erklärt der Verfasser des Standardwerks über afrikanische Musik, John Miller Chernoff. Es sind Einladungen, mitzumachen, die das Bedürfnis nach rhythmischer Bewegung wecken und die meist durch Klatschen, Rufe, Tanz oder Mitmusizieren beantwortet werden. Jazz- und Soulmusiker, lateinamerikanische, orientalische und indische Interpreten und Komponisten spielen ebenfalls mit diesem animierenden Effekt. Auch der Effekt, dass Pausen zwischen zwei Grundschlägen als betont wahrgenommen werden, spielen für den Groove eine entscheidende Rolle. Solche Offbeats erzeugen bei den meisten Hörerinnen und Hörern unwillkürlich das Bedürfnis nach rhythmischer Bewegung.

Auch das richtige Tempo trägt dazu bei, dass einen ein Rhythmus packt. Die meisten Menschen bringt eine Folge von 100 bis 120 Schläge pro Minute (bpm oder beats per minute) auf Touren. Es ist in etwa die normale Geschwindigkeit beim Gehen. Wenn Testpersonen spontan einen Rhythmus klopfen sollen, dann wählen sie meist diesen Bereich. Tanzmusik nutze häufig diese Geschwindigkeit, weil dadurch besonders leicht ein „innerer Schwingkreis“ im Gehirn in Gang gesetzt werde, ist der Musikpsychologe Reinhard Kopiez von der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover überzeugt, „der auch dann noch eine Weile weiterwirkt, wenn die Musik längst zu Ende ist.“ Unsere Wahrnehmung hat beim Tempo klare Grenzen: Die Abstände zwischen zwei Schlägen sollten nicht kürzer als 120 Millisekunden und nicht länger als 1800 Millisekunden, also knapp zwei Sekunden, sein. Schnellere Impulse nehmen wir nicht mehr eindeutig als einzelne Ereignisse wahr, langsamere nehmen wir nicht mehr als regelmäßigen Rhythmus wahr.

Sobald die ersten Töne zu hören sind – beispielsweise die Kuhglockenschläge zu Beginn des Rolling Stones Songs „Honky Tonk Woman“ –, beginnen sich Verrechnungssysteme im Gehirn, sogenannte „neuronale Oszillatoren“, mit dem Puls der Musik zu synchronisieren. Sie treffen laufend Vorhersagen, wann der nächste Schlag erfolgen wird, glaubt Daniel Levitin. Der amerikanische Neurowissenschaftler, der heute an der McGill Universität im kanadischen Montréal arbeitet, war Musikproduzent bevor er seine Forscherkarriere begann. „Es ist befriedigend, wenn der geistige Rhythmus mit dem wirklichen übereinstimmt“, sagt Levitin, „und es bereitet Vergnügen, wenn ein guter Musiker diese Erwartung auf interessante Weise verletzt – auf diese ‚musikalischen Scherze’ fahren wir alle ab.“