Die Mathematik im Rhythmus




Erst durch Gesetzmäßigkeiten und wiederkehrende Strukturen wird aus Klängen ein Rhythmus. Sie bringen eine mathematisch beschreibbare Ordnung in die Zeit. In ihrem Kern ist Musik reine Mathematik – berechenbare Luftschwingungen, deren Impulse und Frequenzen sich nach physikalischen Regeln zusammenfügen und Muster ergeben. Wenn wir diese hören geschieht nicht selten eine Art Wunder: Mathematik verwandelt sich in positive Gefühle und die Lust, sich über Musik und Tanz mit anderen zu verbinden und so den Fluss der Zeit synchron zu erleben.

Unser Leben ist von Anfang an Rhythmen unterworfen, dem Wechsel von Tag und Nacht, Hell und Dunkel, dem Zyklus der Jahreszeiten, dem Ein- und Ausatmen, den wiederkehrenden Abläufen in unserem Körper. Wir sind rhythmische Wesen durch und durch: Das Herz schlägt im Ruhezustand sechzig bis achtzig Mal pro Minute, die Lunge füllt und leert sich in einem Viertel dieser Geschwindigkeit. Bestimmte Lichtsensoren, Hirnzellen, Botenstoffe und Gene steuern rhythmisch äußerst präzise ablaufende Stoffwechselreaktionen und fungieren zusammen als biologische Uhren, die selbst bei wochenlangem Fehlen der Sonne – wie etwa im polaren Winter – nur wenig aus dem Takt kommen. Von der langsamen Peristaltik des Darms bis zu den im Millisekundenbereich schwingenden Nervenzellen bewegen sich all unsere Organe in einem komplexen Tanz, dessen Choreographie von unserem Nervensystem überwacht und gesteuert wird.

Wir sind abhängig von Rhythmen, ohne die unser Leben nicht möglich wäre. Wir sind Rhythmus und wir lieben rhythmische Muster, die wir hören. Rhythmus ist vermutlich die Ursubstanz der Musik. Der bedeutende französische Komponist und Musiklehrer Olivier Messiaen war überzeugt, dass Rhythmus der ursprünglichste und wahrscheinlich maßgebliche Teil der Musik ist und es rhythmische Ausdrucksformen schon vor der Melodie und der Harmonie gab. Aus seiner Sicht ist die Wahrnehmung der Zeit „die Quelle aller Musik und aller Rhythmen“.

Wo klare Strukturen und Gesetzmäßigkeiten vorhanden sind, ist die Mathematik nicht weit. „Musik ist die versteckte arithmetische Tätigkeit der Seele, die sich nicht dessen bewusst ist, dass sie rechnet“, erkannte der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz bereits Anfang des 18. Jahrhunderts. „Die Mathematik des Rhythmus ist universell. Sie gehört keiner bestimmten Kultur an“, sagt der Jazzgitarrist John McLaughlin.

Mathematik eignet sich hervorragend um Musik zu beschreiben und schriftlich festzuhalten. Die Notenschrift, die sich in der abendländischen Musik entwickelte, hat letztlich eine mathematische Grundlage. Perkussion ist Mathematik pur. Ein Schlag ist, unabhängig von seinen besonderen Qualitäten wie Lautstärke oder Klang, einfach da oder nicht da. Also 1 oder 0 wie bei einem Binärcode. Wer die Mathematik begreift, die hinter rhythmischer Musik steckt, versteht deshalb auch besser wie Groove funktioniert und bekommt wertvolle Werkzeuge an die Hand, um mitreißende Musik zu schaffen.

Takt: Rhythmus ist Struktur in der Zeit

Zyklus: Die Geometrie im Rhythmus

Komplexität: Das rechte Maß euklidischer Rhythmen