Die Mathematik im Rhythmus




Komplexität: Das rechte Maß euklidischer Rhythmen

Es gibt eine mathematische Methode, die besonders dafür geeignet ist, packende Rhythmen zu entwickeln: den euklidischen Algorithmus – eine Art Groove-Formel. Er löst die Frage, wie sich möglichst rasch der größte gemeinsame Teiler zweier beliebiger natürlicher Zahlen finden lässt. Algorithmen sind schlicht Rechenvorgänge, die nach einem bestimmten, sich wiederholenden Schema funktionieren. – Und damit soll man groovende Rhythmen erzeugen können?

Aber der Reihe nach: Euklid war ein griechischer Mathematiker und Musiktheoretiker, der im 3. Jahrhundert v. Chr. im ägyptischen Alexandria lebte. Über sein Leben ist fast nichts bekannt. Aber sein Werk „Elemente“ hat die über 2.300 Jahre überdauert. Der darin enthaltene Algorithmus zum Auffinden eines größten gemeinsamen Teilers lässt sich folgendermaßen herleiten:

Nimmt man beispielweise die Zahlen 49 und 14 sind folgende Schritte notwendig, um den größten gemeinsamen Teiler zu ermitteln:

  1. 49 – 14 = 35
  2. 35 – 14 = 21
  3. 21 – 14 = 7
  4. 14 – 7 = 7
  5. 7 – 7 = 0 (fertig)

Der größte gemeinsame Teiler ist also 7.

Doch wie lässt sich die Rechenoperation beim Entwickeln von Rhythmen einsetzen?

Der euklidische Algorithmus hilft dabei, die Schläge in einem bestimmten Zeitintervall so gleichmäßig wie möglich zu verteilen. Bei der Verteilung von vier Schlägen innerhalb eines Zyklus von 16 ist das einfach. Das Intervall zwischen den Schlägen ist vier. Um das zu berechnen, braucht man keinen Algorithmus. Doch das Ergebnis ist langweilig und auf Dauer ermüdend. Interessant wird ein Rhythmus erst, wenn er etwas komplexer ist. Das belegen inzwischen zahlreiche Untersuchungen. So haben Neurowissenschaftler der Universität Oxford eine Studie durchgeführt, mit der sie herausfinden wollten, wann ein Rhythmus zum Tanzen einlädt. 60 Versuchsteilnehmern aus verschieden Teilen der Welt wurden unterschiedlich stark synkopierte Schlagzeugaufnahmen vorgespielt. Das Ergebnis zeigt, damit sich die Zuhörerinnen und Zuhörer zum Tanzen animieren ließen, durften die Rhythmen nicht zu simpel, aber auch nicht zu kompliziert sein.

Hier kommen in Verbindung mit dem euklidischen Algorithmus Primzahlen ins Spiel. Das sind Zahlen wie 2, 3, 5, 7, 11, 17, 23 usw., die nur durch sich selbst und durch 1 teilbar sind. Mit ihnen lassen sich Schlagfolgen erzeugen, die das gewisse Etwas haben und eine gute Basis für mitreißende Grooves darstellen.

Wenn man auf einer Rhythmusuhr mit acht Ziffern drei Schläge mit dieser Methode verteilt, ergibt sich folgendes:

  1. 8-3=5 > [11100000]
  2. 5-3=2 > [10101000]
  3. 3-2=1 > [10010010]

Beim ersten Rechenschritt definiert die subtrahierte Zahl die Anzahl der Einsen bzw. Schläge. Sie werden immer an den Anfang gestellt. Die Nullen stehen für die Pausen. Sie werden bei jedem weiteren Subtraktionsschritt einfach hinter die Schläge und die vorausgegangenen Pausen verschoben. Der so entstandene Rhythmus lässt auch vereinfacht als x..x..x. darstellen. Dieser wird in der afrikanischen, lateinamerikanischen und orientalischen Musik als gängiges Pattern verwendet.

Ein anderer Weg zum Ziel: Grafisch lässt sich der euklidische Algorithmus auch durch ein Gittersystem darstellen (siehe auch das Kapitel Zyklus: Die Geometrie im Rhythmus. Die acht Zeitintervalle sind waagerecht aufgetragen, die drei Schläge (rot) senkrecht. Nach acht Feldern wiederholt sich das Muster. Durch die Punkte lässt sich eine Linie zeichnen, die eine Steigung von 3/8 besitzt. Die Stufen ergeben ein regelmäßiges und rhythmisches Muster. Durch einen Klick auf das Stufensymbol unter dem Groove-Mandala kannst Du mit dieser Methode viele ansprechende Rhythmen bauen.